Jetzt abschließen? Unisex-Tarife ab dem 21.12.2012
Letzte Aktualisierung am 25.08.2018 von adminDurch die Medien geistert die Einführung der Unisex-Tarife ab dem 21.12.2012 schon eine ganze Weile. Dieser Artikel soll einen Blick auf die Hintergründe, Veränderungen, Profiteure, Zukunft und die Gefahren von Unisex auch für Studenten werfen.
Risikodifferenzierung und Prämienhöhe
Private Versicherer legen die Prämien ihrer Tarife für jeden Neuversicherten anhand einer Risikoeinschätzung individuell fest. Dabei nutzten sie bisher bspw. das Alter, den Beruf, den Gesundheitszustand und auch das Geschlecht, denn in den einzelnen Sparten besitzen Frauen und Männer nunmal unterschiedlich hohe Risiken.
Frauen in vielen Sparten mit höheren Kosten als Männer
Frauen leben statistisch gesehen im Schnitt deutlich länger als Männer, damit erzeugen sie z.B. in der Privaten Krankenversicherung mehr Kosten durch häufigere Arztbesuche, vor allem im fortgeschrittenen Alter. Ähnlich ist es in der Privaten Pflegezusatzversicherung, wo Frauen öfter pflegebedürftig werden als Männer. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung schaut es genauso aus, auch hier werden Frauen statistisch gesehen öfter “BU”.
Höhere Risiken der Männer bestehen dagegen bspw. bei der Unfallversicherung, Kfz-Versicherung (bei den Jüngeren, also z.B. Studenten) oder (Risiko-)Lebensversicherung.
Die bisherige Tarifwelt: Bisex
Bislang durften die Versicherer aufgrund der unterschiedlichen Risiken von Mann und Frau die Prämien in vielen Versicherungssparten geschlechterspezifisch festlegen. Das führte in den Bisex-Tarifen der PKV z.B. zu deutlich höheren Beiträgen von Frauen im Vergleich zu Männern mit ansonsten gleichen Risiken (siehe oben). Ab dem 21.12.2012 ist das nun anders, denn dann dürfen die Versicherer bei Neuverträgen nicht mehr aufgrund des Geschlechts unterschiedliche Prämien für Mann und Frau kalkulieren. Bei der Riester-Rente gibt es im übrigen schon seit 2006 Unisex.
Unisex Einführung nach Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Auslöser für Unisex war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 1. März 2011 (AZ: C-236/09) unter Bezugnahme auf die EU-Gleichstellungsrichtlinie aus dem Jahr 2004. Zur Begründung heißt es, dass das bisherige Prinzip der Geschlechterunterscheidung nach Ansicht der Richter eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Nach dem Urteil sind geschlechtsneutrale Tarife für alle neuen Versicherungsverträge ab dem 21. Dezember 2012 endgültig verpflichtend, bisher waren Ausnahmen erlaubt, sofern das Merkmal für den Beitrag risikoerheblich war. Neben den Prämien müssen auch die Leistungen gleichartig sein.
“Bestandsschutz”: Bisex sichern
Bestehende Bisex-Verträge werden zunächst nicht auf Unisex umgestellt, sodass viele zukünftig vermeintlich “Schlechtergestellte” sich noch vorher Gedanken über ihre bisherige Absicherung machen sollten. Stellt man nach ausreichender Analyse und Beratung Handlungsbedarf fest, sollte man versuchen, den jetzigen Zeitpunkt noch mit Hinblick auf die bald höheren Prämien für einen Neuabschluss zu nutzen. So lassen sich bei langfristigen Verträgen schnell einige tausend Euro sparen!
Im übrigen muss der neue Versicherungsvertrag bis zum 20.12.2012 angenommen worden sein. Aufgrund der hohen Nachfrage kann die Bearbeitung einige Tage länger dauern als gewöhnlich.
Vertragsänderungen nach dem 21.12.2012
Wird ein bestehender Versicherungsvertrag nach dem 21. Dezember 2012 geändert, landet man in einem Unisex-Tarif. Aufzupassen gilt es bei Berufsunfähigeitsversicherungen, die bspw. eine Nachversicherungsgarantie oder Dynamikklausel besitzen (u.a. zum Inflationsausgleich), d.h. wo sich Beitrag und Leistung zu bestimmten Zeitpunkten erhöhen. Hier sollte man ins Bedingungswerk schauen oder seinen Vermittler/Makler/Berater fragen, ob für diese Anpassungen weiter die Bisex-Tarifwelt gilt oder ob man so nicht vielleicht doch nachträglich und ungewollt in Unisex hineinrutschen kann.
Für welche Studenten wird es teurer, für wen günstiger?
Für Versicherungsverträge der folgenden Sparten, die ab 21.12.2012 neu rechtskräftig abgeschlossen werden, gelten folgende Trends:
Unisex-Sparte | Studenten (Männer) | Studentinnen (Frauen) |
---|---|---|
Private Krankenversicherung | teurer | vermutlich günstiger |
Krankenzusatzversicherung | teurer | vermutlich günstiger |
Pflegezusatzversicherung | teurer | vermutlich günstiger |
Berufsunfähigkeitsversicherung | teurer | vermutlich etwas günstiger |
Unfallversicherung | vermutlich günstiger | teurer |
Kfz Versicherung | vermutlich etwas günstiger | teurer |
Lebensversicherung | vermutlich günstiger | teurer |
Rentenversicherung | teurer | vermutlich günstiger |
Risikolebensversicherung | vermutlich günstiger | teurer |
Wird es sogar vielleicht für niemanden günstiger?
Dass es für das bisher schlechter gestellte Geschlecht mit Unisex günstiger wird, bezweifeln im übrigen einige Experten. Hintergrund ist, dass viele Versicherer die Gelegenheit nutzen, um neue Tarife mit anderen Bedingungen einzuführen oder bspw. in der PKV der Rechnungszins aufgrund des aktuell niedrigen Zinsniveaus angepasst wird. Zudem müssen die Versicherer aufgrund fehlender Erfahrungswerte sehr vorsichtig bzgl. des erwarteten Mischungsverhältnis und Neugeschäfts kalkulieren, also einen “Sicherheitszuschlag” einbauen.
Auch nach der Umstellung auf Unisex bestehen einige Gefahren. So könnte manch eine Versicherung für das “nachteilige Geschlecht” durch die Prämienerhöhungen so unattraktiv werden, dass es diese nicht mehr abschließt (sog. adverse Selektion). Wenn dann gleichzeitig das riskoreichere Geschlecht immer stärker in den Tarif strebt, werden die Prämien anschließend zwangsläufig sich dem alten, hohen Niveau dieses Geschlechts annähern. Damit hätte dann niemand “gewonnen”, ganz im Gegenteil.
Die Versicherer wiederum hätten die Möglichkeit, einfach das Risikogeschlecht nicht mehr anzunehmen bzw. sich in der Kundenansprache und Werbung stärker auf das risikoärmere zu konzentrieren.
Umtauschgarantien der Versicherer
Viele Versicherer bieten ihren Kunden eine kostenlose Umtauschgarantie in einen Unisex-Tarif an, sofern sich ein geringerer Beitrag ergibt und der Bisex-Tarif bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen wurde (i.d.R. bis Mitte 2012). Voraussetzung ist, dass der Vertrag nicht beitragsfrei und kein Leistungsantrag gestellt wurde.
Mehr zu Unisex u.a. bei wikipedia.