Soziale Pflegeversicherung vor der Zahlungsunfähigkeit?
Letzte Aktualisierung am 27.01.2022 von adminDen Pflegekassen in Deutschland droht aufgrund von Zusatzkosten durch die Corona-Pandemie ein Milliardenloch. So warnte das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestags vor einer Zahlungsunfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung. Zur Liquiditätssicherung sei spätestens Anfang Oktober 2021 eine Zahlung von Bundesmitteln in Höhe von einer Milliarde Euro notwendig, möchte man den Beitragssatz konstant und die Sozialgarantie der Bundesregierung einhalten (Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 Prozent).
Das Gesundheitsressort erläuterte, dass der Zuschuss auf einer bereits für einen solchen Fall vorgesehenen Gesetzesgrundlage beruhe (§ 153 SGB XI). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe eine entsprechende Verordnung (Pandemiekosten-Erstattungsverordnung – PKEV) gezeichnet, um die Pflegeversicherung in der Pandemie zusätzlich zu stabilisieren. Der Zuschuss sei bereits in der Bundesregierung abgestimmt, der Haushaltsausschuss müsse noch zustimmen.
Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV) reicht diese eine Milliarde Euro bis zum 5. Oktober 2021 aber nicht aus, um eine Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. In einer Stellungnahme des Verbandes zu den Regierungsplänen, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, heißt es, nötig sei stattdessen ein Bundeszuschuss von 1,6 Milliarden Euro. Andernfalls bestehe die “erhebliche Gefahr, dass es bei einzelnen Pflegekassen im November zu Liquiditätsproblemen kommen wird”. Angesichts der Corona-Mehrkosten für die Pflegeversicherung im laufenden Jahr von rund fünf Milliarden Euro “wäre ein entsprechend erhöhter Zahlbetrag in jedem Fall sachgerecht”, so der Spitzenverband.
Spahn hatte bereits im Juni in Absprache mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) festgelegt, dass die Pflegeversicherung ab dem Jahr 2022 jährlich einen Zuschuss von einer Milliarden Euro bekommt. Aufgrund von ebenfalls beschlossenen Leistungsverbesserungen erwartet der GKV-SV jedoch auch in 2022 eine Finanzierungslücke von mindestens zwei Milliarden Euro in der Sozialen Pflegeversicherung.
Im Interview mit der Rheinischen Post machte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, Anfang Januar 2022 deutlich, dass die finanzielle Situation der Sozialen Pflegeversicherung weiterhin sehr zügig politisches Handeln erfordert. Im Jahresergebnis geht Kiefer davon aus, dass die Gesamtausgaben für das Jahr 2021 insgesamt etwa um knapp zwei Milliarden Euro höher sind als die Einnahmen – also ein Defizit von zwei Milliarden Euro unter dem Strich stehen wird. Dieses konnte nur gerade so durch Rücklagen ausgeglichen werden. Nun habe die Soziale Pflegeversicherung ihre gesetzliche Mindestreserve erreicht und es gebe dringenden politischen Handlungsbedarf zur Stabilisierung der Finanzlage. “Das muss unbedingt im ersten Halbjahr 2022 entschieden werden”, so Kiefer. Mit Blick auf grundsätzliche Fragen der Pflegeversicherung verwies Kiefer darauf, dass die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung eine permanente Aufgabe sei, so auch in dieser Legislaturperiode.